Neue Regeln für ausländische Investitionen (Beitrag im Audit Committee Quarterly)

Die EU hat mit dem sog. Investment Screening die Möglichkeit geschaffen, die Überprüfung bedenklicher ausländischer Direktinvestitionen in sensiblen Bereichen europaweit zu koordinieren.

Die Regelungen der EU für ausländische Investitionen gehören zu den liberalsten der Welt. Das bleibt auch so. Aber die Gewichte verschieben sich: Der Anteil der Investitionen aus den USA ist in den letzten 20 Jahren um 20 Prozent gesunken, auch wenn die USA immer noch wichtigster Investor sind. Gleichzeitig wuchsen die Anteile von Schwellenländern wie Brasilien, Russland und China. Besonders die chinesischen Investitionen in Schlüsselbranchen werfen dabei Fragen auf.

Die Strategie »Made in China 2025«, die Peking seit 2015 verfolgt, soll nicht nur mittels riesiger Investitionen die eigene Wirtschaft ankurbeln. Sie hat auch ein klar wirtschaftsnationalistisches Profil. Dafür stellt Peking zwischen 2016 und 2020 pro Jahr 10 Mrd. Yuan zur Verfügung und bietet staatliche Kredite in Höhe von 300 Mrd. Yuan an. Xi Jinping setzt nicht mehr wie seine Vorgänger auf die Öffnung Chinas zur Welt, sondern auf die Öffnung der Welt für China, und scheut sich dabei nicht, gemäß Maos Parole »Vertrau auf die eigene Kraft« Ausländern die Tür zuzuschlagen. Gleichzeitig versucht China deutlich spürbar, mit Milliardeninvestitionen in Europa seine Wirtschaftsmacht auszubauen

Die Wende kam mit Kuka

Jahrelang waren die durchaus namhaften chinesischen Übernahmen (z. B. Putzmeister, Kiekert AG und Krauss Maffei) für die hiesige Politik kein Grund zur Beunruhigung. Die Wende kam, als der Midea-Konzern im Mai 2016 den Augsburger Roboterhersteller Kuka übernahm. Das Unternehmen ist Vorreiter der Industrie 4.0 und weltweit führend im Bau von Robotern. Man musste befürchten, dass durch die Übernahme wichtiges Knowhow aus Deutschland auf breiter Front abfließt. Dieselbe Frage stellte sich, als die US-Behörde CFIUS die Übernahmepläne des chinesischen Investors Grand für den Aachener Maschinenbauer Aixtron wegen Sicherheitsbedenken stoppte. Eine Studie des IW Köln zeigte im August 2017 auf, dass sich chinesische Investoren auf die Bundesländer mit den meisten Patentanmeldungen konzentrieren. Am häufigsten investierten sie in Baden- Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Das weckte irgendwann das deutsche Wirtschaftsministerium auf.

Zusätzlich heizte sich die Diskussion dadurch auf, dass sich die Einschätzung über eine wirtschaftliche Konvergenz zwischen China und dem Westen als nicht tragfähig erwies. Die Erwartungen der EU, dass sich China als Mitglied der WTO an die internationalen Spielregeln halten würde, ist nicht aufgegangen. China plädiert inzwischen ziemlich offen für Systemkonkurrenz.

Deutschland steht mit dem Screening sensibler ausländischer Investitionen nicht allein da. Die USA unterziehen Auslandsinvestitionen seit 1975 einer staatlichen Kontrolle, die der Kongress dieses Jahr mit dem »Foreign Investment Risk Review Modernization Act« (FIRRMA) noch erweiterte. Japan, Australien und China besitzen ähnliche Screening-Mechanismen.

Dennoch waren viele verblüfft, als die EU-Kommission im September 2017 auf Initiative von Deutschland, Frankreich und Italien einen Gesetzesvorschlag vorlegte, um einen »Rahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Europäischen Union« (COM (20127) 487) zu schaffen. Gegenwind gab es insbesondere aus der Wirtschaft, aus manchen EU-Staaten und aus China. Dennoch einigten sich die EU-Institutionen in bemerkenswerter Geschwindigkeit am 20.11.2018 auf einen gemeinsamen Mechanismus für den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit, um sensible Technologien und Infrastrukturen besser zu schützen.

In der EU verfügen gegenwärtig 13 Mitgliedsländer über Screening-Verfahren unterschiedlicher Intensität. Es gab aber bisher kein koordiniertes Vorgehen, keinen Informationsaustausch und keine Möglichkeit für die EU-Kommission, sich einzumischen, wenn beim Aufbau der fraglichen Bereiche massiv europäische Steuergelder eingesetzt wurden.

Die Entscheidung bleibt bei den EU-Mitgliedstaaten

Nach dem formalen Ja des EU-Parlaments und des Ministerrats wird die Verordnung voraussichtlich im Februar oder März 2019 in Kraft treten. Die Entscheidung darüber, ob eine Übernahme untersagt werden soll, bleibt bei den einzelnen Mitgliedstaaten, und die Kapitalverkehrsfreiheit wird nicht eingeschränkt. Vorgesehen ist neben dem Informationsaustausch auch die Möglichkeit für die EU-Kommission, Empfehlungen abzugeben. Wenn Mitgliedstaaten solchen Empfehlungen nicht folgen wollen, müssen sie das begründen. Der Mechanismus muss sich auf das Interesse der Sicherheit und der öffentlichen Ordnung beschränken und darf nicht missbraucht werden, um allgemeine industriepolitische Präferenzen durchzusetzen.

Der neue Rahmen listet eine Reihe von Schlüsseltechnologien, zu denen u. a. Künstliche Intelligenz, Robotik, aber auch der Energiesektor und Energiespeicher zählen. Das Abkommen wird nach drei Jahren bewertet und kann nachgebessert werden.

Eines hat die Debatte jedenfalls schon bewirkt. Noch während der Verhandlungen stärkten EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich, Deutschland und Großbritannien ihre Überprüfungsmechanismen. Andere, wie die Niederlande, Schweden, Dänemark oder Ungarn, arbeiten an neuen Mechanismen oder erwägen ihre Einführung.

Ein gemeinsamer erster Schritt

Die EU hat mit dieser raschen Einigung gezeigt, dass sie fähig ist, neuen Herausforderungen konstruktiv und schnell zu begegnen. Die Europäer bewiesen Einheit, indem die Koalition aus verhandelnden Parteien zusammenhielt, trotz Sperrfeuer aus China und Italien. Wir sind gegenüber ausländischen Direktinvestitionen, auch aus China, weiterhin offen, aber nicht naiv. Es wird wohl nicht der letzte Schritt sein, den wir in diese Richtung gehen, aber es ist wichtig, dass wir diesen ersten Schritt jetzt gemeinsam machen.

Die Handlungsempfehlungen für den Aufsichtsrat:

  • auf eine möglichst einheitliche Praxis des Screenings in verschiedenen
    europäischen Ländern hinwirken
  • bei ausländischen Investitionen die Aufmerksamkeit auf die
    Sicherheit und öffentliche Ordnung jenseits der betriebswirtschaftlichen
    Belange richten
  • Anreize schaffen für den technologischen Wandel in Deutschland und für die Unterstützung von KMUs, damit die künftige Wettbewerbsfähigkeit nicht vor allem an Abwehrmaßnahmen hängt

Dieser Beitrag erschien im Dezember im Audit Committee Quarterly IV/2018 und ist auch hier nachzulesen.

Foto: Didier BAUWERAERTS, Copyright © European Union 2018 – Source: EP